Spinning triangles:
Anstoss Zu einer
Schule für Gestaltung

Anlässlich des 100-jährigen Bauhausjubiläums fordert SAVVY Contemporary mit dem Projekt Spinning Triangles die inhärenten, neokolonialen Machtstrukturen in Gestaltungspraxis, -theorie und -lehre heraus. Es nimmt den Gründungsmoment des Bauhauses vor 100 Jahren auf, um sich ihrer Realität als Schule zu stellen, und diesen Moment zu verdrehen und umzuformen. Wir erkennen das Bauhaus nicht nur als Lösung, sondern auch als Problem und werden einen Schulprototypen erarbeiten, der durchaus zur „Un-schule“ werden kann, und durch das Durcheinanderwirbeln von vier Orten entsteht: Dessau, Kinshasa, Berlin und Hongkong.

SPINNING TRIANGLES nimmt das 100-jährige Jubiläum der Bauhausgründung zum Anlass, die inhärenten neokolonialen Machtstrukturen in Gestaltungspraxis, -theorie und -lehre herauszufordern und ihnen entgegenzuwirken, indem das Bauhaus nicht nur als Lösung, sondern auch als Problem erkannt wird.

Das Bauhaus war vorerst eine Schule für Gestaltung. Sie wollte neue Gestalter*innen, Macher*innen und Denker*innen bilden, die sich den Herausforderungen ihres „Jetzt“ stellen. SPINNING TRIANGLES nimmt diesen Gründungsmoment bewusst auf – aber nicht um ihn zu wiederholen, sondern um ihn zu verdrehen: dabei soll eine Schule für Gestaltung entstehen, die das Zeug hat, die Herausforderungen ihrer Zeit anzugehen und genau deswegen vielleicht zur „Un-Schule“ wird. Sie entwickelt sich nicht ausschließlich im geopolitischen Westen, sondern durch die akzelerierte Drehung zwischen eng miteinander verwobenen Orten: Dessau, Kinshasa, Berlin und Hongkong. Sie wirbelt die ihnen zugeschriebenen Rollen – Ideenzentrum, Rohstofflieferant, Produktionsweltmeister – durcheinander.

Der Anstoss zu dieser Schule findet in Kinshasa statt, in der Hauptstadt eines Landes, ohne das unsere Smartphone-Moderne, Kreativwirtschaft und Datensammelwut nicht zu denken wäre, das allerdings auch die höchsten Kosten trägt. Allein in den letzten zwanzig Jahren haben die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen und die damit verbundenen Konflikte zum Tod von sechs Millionen Menschen geführt – offizielle Zahlen, die als eher vorsichtige Schätzung gelten können.

Das Langzeit-Projekt beginnt in Dessau, wo Van Bo Le-Mentzel ein neues Tinyhouse errichten wird, die „Wohnmaschine“: ein Miniaturklon des Werkstattflügels des Dessauer Bauhaus-Gebäudes. Hinter der ikonischen Fassade verbirgt sich eine fünfzehn Quadratmeter große Wohnung, samt ausgeklügelter Inneneinrichtung und Ausstellungsfläche. Hier werden wir nicht nur leben, sondern auch Gäste einladen, um Raum und Eigentum auszuhandeln und das komplexe Erbe der Moderne zu hinterfragen. Durch Interventionen verschiedener Akteur*innen wird das mobile „Weltkulturerbe“ aktiviert und für eine „academy of the fireside“ der Öffentlichkeit preisgegeben. Wir werden uns dem Bezug von Kolonialität und Gestaltung stellen sowie deren alltäglichen Sicht- und Unsichtbarkeiten. Ergebnisse und Erfahrungen werden kurz danach in Berlin beim Eröffnungsfestival „100 Jahre Bauhaus“ ausgestellt und anschließend in der Demokratische Republik Kongo weiterentwickelt.

In Kinshasa wird sich der Denk- und Gestaltungsprozess anschließend durch ein Symposium und Workshops beschleunigen. Akteur*innen früherer Kolonien werden aufeinander treffen, um sich der Frage zu widmen, wie in einer Welt, in der all zu viele, gescheiterte Meisterpläne weiterhin fortwirken, dennoch Alltagsumgebungen konzipiert werden können, durch die eine gemeinsame Zukunft möglich werden kann und durch welche Philosophien. Durch diese Fragestellungen und weitere Diskussionsrunden, in denen über ein nachhaltiges Schulkonzept nachgedacht und debatiert wird, entsteht auch die Frage nach einer Weiterführung in anderen Geographien. Dies führt zur dritten Drehung des Projektes.

In dieser dritten Drehung aktiviert sich die “Schule”, die ebenso gut auch “Unschule” genannt werden kann, in Berlin bei SAVVY Contemporary–The Laboratory of Form-Ideas. Mit 40 Teilnehmer*innen sowie fünf geladenen Gästen aus Kinshasa werden wir die Verwicklungen von Modernität und Kolonialität offensichtlich machen, und nach ihren Auswirkungen auf das “Weltschaffen” sowie deren deutlich und weniger deutilich auftretenden Masterpläne hinterfragen. Mit der Annahme, ganz nebenbei, dass es vielleicht nicht der Süden ist, der entwickelt werden muss, sondern der Norden. Durch Prozesse des Denkens und Machens, die sich wechselwirkend beeinflussen werden, werden wir gemeinsam Formen des Zusammenlebens und gemeinsamen Gestaltens aushandeln. Regelmäßiges öffentliches Programm wird die Schule dem Publik öffnen. So werden über Worte und Taten Bauhaustraditionen und Narrative der Moderne hinterfragt und auch der Öffentlichkeit nachvollziehbar.

In der vierten, umkehrenden Drehung des Projekts wird das Projekt für den Kunstraum Para Site in Hongkong freigegeben, der ein Symposium und Workshops ausrichtet. Hier werden die in diesem Langzeitprozess aufgekommenen Diskussionen aufgenommen und fortgesetzt und dabei die Perspektiven auf Gestaltungspraktiken und -diskurse in einem weiteren, spezifischen Kontext verschoben.

Wie konzipieren wir, in einer Welt, in der modernistische Masterpläne immer wieder gescheitert sind, unsere Alltagsumgebung um überhaupt noch ein tragfähiges Zusammenleben zu ermöglichen? Gestaltung hat Macht. Sie formt unsere Lebenswelt, unsere Interaktionen. Zu lang sind Praktiken und Narrative aus dem „globalen Süden“ in der Peripherie des Gestaltungsdiskurses geblieben, wurden sämtlich ignoriert oder appropriiert. Das muss verändert werden. Und kann nur passieren, wenn wir mit neuen Formen des Lernens und Verlernens beginnen, die möglicherweise schon sehr alt sind, aber viel zu lang überhört wurden.