UNITED SCREENS: On Cinema Beyond The Borders Of The Screen

Im Rahmen von Edit Film Culture! präsentiert UNITED SCREENS das erste Kapitel seines langfristigen Forschungsprojekts, das durch Recherche, Ausstellungen, Symposien und Interviews verschiedene Filmkulturen untersucht und es sich zum Ziel gemacht hat, neue dezentrale und technologiegeleitete Systeme für Kino und Filmdistribution zu entwickeln.


EINBLENDE: LANDSCHAFT/EN – ORT/E
Ägypten, 2016 Der Film international gefeierte Film In The Last Days of the City von Tamer El Said wurde in Ägypten bisher nicht gezeigt. Obwohl die ägyptische Regierung den Film nie offiziell verboten hat, erhielt er keine Vorführerlaubnis. Im Guardian-Artikel The Cinematic Love Letter to Cairo von Ruth Michaelson entlarvt El Said diese Praktik als „Möglichkeit, den Film zu verbieten, ohne dies offiziell als Bann zu bezeichnen.“

Mauretanien, 1970 Med Hondo‘s kritischer Film über das Überleben des kolonialen Imperialismus und dessen fortdauernde Einbettung in die heutige Zeit, Soleil Ô (Oh Sun!) wurde nach seiner Veröffentlichung in vielen afrikanischen Ländern für mehrere Jahre verboten. "Egal ob ich einen Film in Paris oder Nouakchott mache, es ist ziemlich offensichtlich, dass ihn in meinem Land niemand sehen wird. Auf Dauer kommt diese Situation einem schleichenden Selbstmord gleich", formulierte Hondo in seiner bahnbrechenden Arbeit The Cinema of Exile.


EINBLENDE: FINANZIERUNG
Iran, 2018Eine iranische Quelle aus dem Filmbereich, die unter dem Pseudonym Pouya geführt wird und mit Owj zusammenarbeitet, berichtete Al-Monitor: "Jeder weiß, dass Owj von IRGC finanziert wird. IRGC wiederum erhalten ihr Budget von der Regierung. Die Art dieser Finanzierung unterscheidet sich nicht von der, die andere Organisationen für die Produktion von Filmen erhalten. Die Realität ist, dass das iranische Kino letztlich ein staatliches Unternehmen ist."

Indien, 2018 Zum Abschluss seines Besuchs in Indien beschloss der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, seinen letzten Abend mit einer speziellen Veranstaltung für das Establishment der indischen Filmindustrie zu begehen. "Bollywood Shalom" fand in Mumbai statt und Bollywood kam. Stars wie Amitabh Bachchan und Aishwarya Rai waren anwesend und der Abend endete mit einem Selfie im Oscar-Stil und Netanyahus Äußerung: "Wir wollen Bollywood in Israel. Unseren Worten werden Taten folgen.“

Deutschland, 2015 Der Antragsteller für Produktionsfinanzierung sollte üblicherweise einen Produzentenbeitrag von 50% des Anteils der Deutschen Filmförderung leisten. Ausnahmen können insbesondere für Projekte gemacht werden, deren Inhalt oder Stil eine wirtschaftliche Nutzung nur schwer möglich machen.


Schnitt in die Totale: Regelverstösse
USA, 1964In einem Interview im Jahr 2001 sprach Jonas Mekas über seine Versuche, sich mit den Prozessen von "Distributions- / Verbreitungssystemen" von Filmen zu befassen, die –wie er es beschreibt– für bekannte und kommerzielle Vertriebsplattformen seinerzeit in den USA uninteressant zu sein schienen. Seine verschiedenen Versuche, Jean Genets "Un Chant d'Amour" (1950) und Jack Smiths "Flaming Creatures" auf den Markt zu bringen, führten zur Verhaftung von Jonas Mekas aufgrund von Obszönitätsvorwürfen.

Französisch-kolonialisiertes Afrika, 1934 „La Décret Laval“ wurde im Geltungsbereich des Ministers der Kolonien, Pierre Laval, ausgestellt um den Inhalt von in Afrika gedrehten Filmen zu kontrollieren und den kreativen Einfluss afrikanischer Beteiligung bei der Herstellung von Filmen zu minimieren.
 

MATCH CUT: AESTHETIk
Indien, 1979 "Wenn wir uns hier versammelt haben, um über die Rolle des Kinos in Entwicklungsländern zu diskutieren, ist es nur richtig, denke ich, wenn wir darüber sprechen, warum diese Filmemacher mit identischen Problemen konfrontiert sind. Ich denke, viele Regierungen wären sehr glücklich, wenn wir über Kino allein als Kunstform, als ästhetisches Medium sprächen. Sie wären nicht so glücklich, wenn wir dabei die Streiks und Probleme in unserem Land thematisieren. Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, als Kreativer diesen ästhetischen Aspekt zu nutzen, um mit einer bourgeoisen Minderheit in unserem Land zu kommunizieren. " ––Ousmane Sembène, Vortrag auf dem Symposium über das Kino in Entwicklungsländern.
 

Schwenk auf: ARCHIVIerung
Nigeria, 2014 Hunderte verrosteter Filmrollen wurden in den verlassenen Räumen der ehemaligen Abteilung für kolonialen Film in Lagos gefunden. Dies führte Entdeckung von weiteren 10.000 Filmrollen in relativ gutem Zustand im Nationalen Film-, Video- und Tonarchiv in Jos.

Deutschland, 2009 pan.do/ra wurde von Pirate Cinema in Berlin und CAMP in Mumbai entwickelt. Dieses offene Online-Medienarchiv ermöglicht die Annotation, Suche und Bearbeitung von Multimedia-Archiven, was zur Entwicklung weiterer Zweige von pan.do/ra geführt hat: pad.ma, indiancine.ma, bak.ma, 858.ma usw.
 

EINBLENDE: Kollektivität
Indien, 1984 Der Filmemacher John Abraham bringt das Odessa Collective zusammen – eine Unternehmung, um Kinoproduktion und –ausstellung zu kollektivieren. Odessa Collective produzierte 1986 den Film „Amma Ariyan“ (Botschaft an meine Mutter)––ein Film, der durch Crowdfunding produziert wurde und im Bundesstaat Kerala kostenlos von Odessa Collective gezeigt wurde.


JUMP CUT: TECHNOLOGie
Indien, 2017 Laut CAMP, einer von Shaina Anand und Ashok Sukumaran ins Leben gerufenen kritischen Kunst- und Medienplattform, bestand eines ihrer Hauptziele darin, „sich mit Fragen, Behauptungen und Potenzialen rund um Infrastruktur auseinanderzusetzen: Materialien, Systeme und Werkzeuge. Das bedeutete, sich direkt mit solchen Dingen beschäftigen wie Elektrizität, Transport, Handel, Archive, Video, Radio und Internet. Auf diese Weise entwickeln sich mögliche Denkansätze, die diese Dinge als Bestandteile des menschlichen Lebens verstehen und nicht als nur innerhalb des „Netzwerks“ als repräsentatives Gedankenmodel.

UNITED SCREENS installation views | Photo: Raisa Galofre
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UNITED SCREENS ist ein langfristiges Forschungs- und Ausstellungsprojekt, das beabsichtigt eine Plattform ins Leben zu rufen, auf der unabhängige Filmemacher*innen, Aussteller*innen und Distributor*innen ein Netzwerk von koordinierten und programmierten Ausstellungsräumen aktivieren können. Zukünftig wollen wir eine neue Plattform anregen, um Filme zu vertreiben, die auf dem indischen Subkontinent, auf dem gesamten afrikanischen und asiatischen Kontinent sowie in Lateinamerika und Osteuropa produziert werden.

Wir blicken gleichermaßen zurück auf die bereits unternommenen Bemühungen und erhobenen Ansprüche, die im Prozess der Dekolonisierung des Filmvertriebs gemacht wurden, um diese zu erneut aufzugreifen. Dies geschieht in der Beschäftigung mit der Bildung von dezentralisierten Distributionskanälen jenseits von Zensurorganen, Kontrollagenturen und machtvollen Institutionen.

Unser Ziel ist es auch, postkoloniale Beziehungen zu aktuellen Formaten der Filmdistribution zu verstehen, denn nur mittels eines historischen Registers  lässt sich der Weg zu einem breiteren Verständnis von Zensurmodi, staatlicher Kontrolle von Leinwänden und Prozessen des Othering durch Filmkultur ebnen. Wir hoffen, mit diesem Forschungsprojekt gemeinsam ein inklusiveres Verständnis des Filmvertriebs anregen und gestalten zu können, das über die normativen sozio- und geopolitischen Kontexte und Barrieren hinausgeht.

In diesem ersten Kapitel unserer Recherche wandelte sich Neugierde zu Freundschaften und Freunde wurden zu Verbündeten. Diese Wechselwirkungen innerhalb eines wachsenden Netzwerks wurden in Filmaufnahmen, Toninterviews und persönliche Erinnerungen gesammelt.

Die Ausstellung lädt dazu ein, einen Spaziergang durch die kartographierte Recherche zu unternehmen, die sich mit Teilen der Indischen Filmlandschaft beschäftigt und dabei ausgewählte Videointerviews, Notizen sowie informelle Unterhaltungen zu betrachten. Aus dieser Forschung haben wir sieben Kernbereiche herausgearbeitet, um dieses „Eco-System“ besser zu verstehen. Diese sind: Finanzierung, Ästhetik, Regelverstöße, Archivierung, Räume, Kollektivität und Technologie.

Mit dieser Ausstellung hoffen wir, die Besucher*innen in vorsichtige Überlegungen einzubeziehen über die Entwicklung abweichender Filmkulturen sowie eine dezentralen, auf Technologie basierenden Infrastruktur für alternatives Kino.

Letztlich ist es uns wichtig auf den Prozess hinzuweisen, in welchem die gesammelten Interviews für die Ausstellung und Archivierung vorbereitet wurden. Die kollektive Ausrichtung des SAVVY Contemporary Teams machte es möglich, dass Teammitglieder angeboten haben, alle Interviews anzuschauen und durch Anmerkungen mit ihren eigenen Überlegungen zu versehen, die die Ausstellung begleiten werden. Der kollektive Prozess zeigt sich in der Ausstellung in den folgenden Formen: Anmerkungen durch das SAVVY Team, eine Mindmap zu den Beziehungen zwischen „Dem Kino“ und Kinos sowie ein speziell für diese Forschungsphase mit Trishla Talera entwickeltes Online-Archiv für die Interviews auf pad.ma.

    Edit Film Culture! Installation views | Photo: Ray Peter Maletzki
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