VOL 2:
COMING SOON TO YOUR SCREENS.
On archives, legacies and new waves of Sudanese Cinema

 

In den 1960er, 70er und 80er Jahren galt Sudan als einer der Vorreiter der Filmkunst auf dem afrikanischen Kontinent. Gadalla Gubara, einer der weniger bekannten Pioniere des Afrikanischen Kinos, arbeitete über 50 Jahre als Regisseur von Dokumentar- und Spielfilmen im Sudan. Als Kameramann der Sudan Film Unit, dokumentierte er Sudans postkoloniale Ära wie kein Zweiter. In der Hauptstadt Khartum baute er das erste Filmstudio, “Studio Gad”, und war Mitbegründer der Pan-Afrikanischen Föderation von Filmemachern FESPACI und des heute bekanntesten afrikanischen Filmfestivals FESPACO in Ouagadougo, Burkina Faso. Heute wird in der Kreativszene Khartums erneut vom “Anbruch einer neuen Ära” gesprochen. 2010 wurde die Sudan Film Factory gegründet, die erste Trainingsplattform für Sudanesische Filmemacher*innen post 1989. 44 Kurzfilme sind hier in den letzten Jahren entstanden. Seit 2014 wurde das Sudan Independent Filmfestival (SIFF), das jährlich hochwertige sudanesische und internationale Filme zeigt, ins Leben gerufen. Das Filmfestival legt den erklärten Fokus darauf, dominierende Paradigmen des westlichen Kinos zu diversifizieren und sich als Plattform für afrikanische Kulturen und Ästhetiken zu etablieren.

Im Juli 2018 startet SAVVY Contemporary, in Kooperation mit dem Arsenal––Institut für Film und Videokunst die zweite Edition von  COMING SOON TO YOUR SCREENS. ON ARCHIVES, LEGACIES AND NEW WAVES OF SUDANESE CINEMA. Nach der ersten Festivalausgabe im November 2017 bündeln wir erneut die Kräfte, um die Diskussion über vergangene und gegenwärtige Kinokulturen im Sudan fortzuführen. An zwei Abenden beleuchten wir die Sudanesische Kinogeschichte von ihrer Blütezeit in den 1960er–80er Jahren bis zu den Herausforderungen, Hoffnungen und Visionen der Gegenwart. Kuratiert und diskutiert von Sara und Mai Gubara, den Töchtern von Gadalla Gubara, erschließt das Kino Arsenal am ersten Abend das digitalisierte Archiv des Studio Gad und zeigt in sechs kurzen Dokumentar– und Werbefilmen von Gubara Impressionen aus Khartums legendärer Ära. Die Filme wurden 2013 und 2016 vom Arsenal––Institut für Film und Videokunst digitalisiert. KHARTOUM (1960) ist ein Dokumentarfilm über die lebendige Stadt vor der Einführung der Scharia, und VIVA SARA (1984) begleitet Sara Gubara bei ihrem Schwimmwettkampf auf der Strecke von Capri nach Neapel, an dem sie als erste internationale Schwimmerin für den Sudan teilnahm.

Der zweiten Abend bei SAVVY Contemporary widmet sich den neusten Filmproduktionen aus Khartum. Im Rahmen des Invocation Programms von  UNITED SCREENS: CINEMA BEYOND THE BORDERS OF THE SCREEN, lädt SAVVY Contemporary ein zu einem moderierten Gespräch mit Talal Afifi, dem Gründer der Sudan Film Factory und Präsidenten des Sudan Independent Film Festivals, und einem Ehrengast, über die Schaffung neuer Kinokulturen und die Herausforderungen der Filmproduktion und -distribution in postkolonialen Kontexten. Dem Gespräch folgt ein von Talal Afifi kuratiertes Kurzfilmprogramm mit einer Auswahl der neusten Filmproduktionen der Sudan Film Factory. In Anwesenheit des Filmemachers Shehab Satti kommentiert das Programm in verschiedenen Genres und Formaten das Revival des Independent Films im Sudan und präsentiert eine neue Generation sudanesischer Filmemacher*innen post 1989.

PROGRAMM

19.07.2018 19:30  Arsenal Kino 1  
Kurzfilmprogramm und Filmgespräch mit Mai und Sara Gubara.


20.07.2018  18:00 SAVVY Contemporary 
Invocations for UNITED SCREENS. ON CINEMA BEYOND THE BORDERS OF THE SCREEN

18:00  Moderiertes Gespräch mit Talal Afifi und Viola Shafik über den Aufbau neuer Filmkulturen in postkolonialen Kontexten. 

20:30  KURZFILMPROGRAMM kuratiert von Talal Afifi:

CONFUSION
Sadam Siddig  Experimental  Sudan  2015  14 min
Der Film erforscht die Gedanken eines Sudanesen, der nach Paris migriert, in eine Stadt voller Überraschungen. Der junge Yasien reflektiert seine Identität, seine Nähe und seine Isolation in Bezug zu jenen, die ihn umgeben und die anders zu sein scheinen. Der erste Film des Regisseurs nach seiner Migration kommentiert die Wirrung der Gedanken in experimentellem, schnellen Tempo.

LOSING OAKLAND
Alsanosi Adam  Dokumentarfilm  Sudan  2016  30 min
Ein sudanesischer Student in den USA auf den Spuren der schwarzen Bürgerrechtsbewegung findet in West Oakland California einen Ort und eine Gesellschaft im Wandel.

HR: HUSSEIN RICHARD
Maher Hassan  Dokumentarfilm  Sudan  2017  6 min
Wie wird Kunst von Krieg beeinflusst? Inmitten der Zerrüttung und Zerstörung des Krieges erzählt Hussein über den ersten Schuss, den er hörte und über seine Flucht nachdem er alle verloren hatte. Eine hoffnungsvolle Reise in eine schmerzhafte Vergangenheit.

NOT THE TEARS OF A CROCODILE
Salah Elmur  Fiction  Sudan  2010  25 min
In einem Dorf im Sudan dreht sich das Leben der Männer um Dominospielen bis eines Tages ein Handwerker eine Einladung in eine Fernsehsendung erhält. Die Neuigkeiten schlagen ein wie eine Bombe. Der Scheider, der Frisör und der Musiker... alle krämpeln die Ärmel hoch. Doch es erwartet sie eine Überraschung.

SEROTONIN
Shehab Satti  Experimentalfilm  Sudan  2018  29 min
Ein experimenteller Film über Isolation, Depression und das Leben. Ein gewaltiges Kunstwerk, das als bester sudanesischer Film beim diesjährigen Sudan Independent Film Festival ausgezeichnet wurde.

Im Anschluss an die Vorführungen findet ein Filmgespräch mit Talal Afifi und Shehab Satti statt.

TALAL AFIFI 1976, ist Sudanesischer Filmkurator, Produzent und Gründer und Direktor der Sudan Film Factory, einer Produktionsfirma und Plattform für Filmkultur und Trainingsinitiativen in Khartum. Seit 2014 ist er Gründer und Präsident des Sudan Independent Film Festivals und Art Director des Karmakol International Festivals. Er arbeitet als Vorstandsmitglied der Sudanese Writers Union. Zuvor war Talal Afifi als Kulturmanager in Ägypten und im Sudan tätig und produzierte zahlreiche Dokumentar- und Kurzfilme zwischen 2010 und 2017. Afifis Interesse liegt darin, die Independent-Film Produktion im Sudan auszubauen und neue Wege der Dokumentarfilmproduktion und -distribution zu erschließen.

GADALLA GUBARA ist einer der weniger bekannten Pioniere des afrikanischen Kinos. Er betrieb das erste Filmstudio im Sudan und war Mitbegründer der Panafrikanischen Föderation von Filmemachern, FEPACI, sowie dem FESPACO Festival (Ouagadougou, Burkina Faso). Sein Werk umfasst Spielfilme, Reportagen, dokumentarische Lehrfilme, Werbefilme und Home Movies. Er dokumentierte über fünfzig Jahre die politische und gesellschaftliche Entwicklung des Sudans: von der Unabhängigkeit im Jahr 1956 über die Phase der sozialistischen Regierung und ihrer Modernisierungspolitik bis zur Ausrufung der islamischen Republik 1983 – und parallel zu dieser Entwicklung, deutlich sichtbar, die zunehmend schlechteren Bedingungen für Filmproduktionen.

SARA GADALLA GUBARA lebt und arbeitet in Khartum. Sie ist Regisseurin von Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen. Sie hält mehrere internationale Rekorde im Langstreckenschwimmen und arbeitet als Schwimmlehrerin und Rettungsschwimmerin. Zusätzlich berät sie NGOs in Geschlechter und Gleichstellungsfragen. Sara Gubara ist Absolventin der Academy of Arts in Kairo. Ihre Filme wurden auf Festivals in Südafrika, Sansibar und Uganda präsentiert.

SHEHAB SATTI ist ein Sudanesischer Filmemacher, der 1998 in Oman geboren wurde. Sein Interesse an Film begann, als er mit 10 Jahren virale Video Clips erstellte. Nachdem er als Kameramann an einigen Kurzfilmproduktionen mitgewirkte, studiert er heute Film an der Mashreq Universität, Khartum. Sein Kurzfilm SEROTONIN gewann den Preis für den besten sudanesischen Film beim Sudan Independent Filmfestival 2018.

Viola Shafik ist Filmwissenschaftlerin, Kuratorin und Filmemacherin. Zur Zeit forscht sie am Kunsthistorischen Seminar an der Ludwig-Maximillian-Universität in München über Dissidenz, Subjektivität und Revolution im arabischen Dokumentarfilm. Sie ist bei der Berlinale Delegierte für die arabische Welt. Ihre Monographien umfassen "Arab Cinema: History and Cultural Identity", AUC Press, Kairo, 1998/2016 und "Popular Egyptian Cinema: Gender, Class and Nation", AUC-Press, 2007. Seit 1987 kuratierte sie zahlreiche Filmreihen und lehrte an verschiedenen Universitäten, sie war Fellow an der NYU, IFK und dem Wissenschaftskolleg Berlin (WIKO), Studienleiterin des MENA-Programms des Dokumentarfilm-Campus (2011-2013) und war Mitglied in den Auswahlausschüssen des al-Rawi Screenwriters Lab, das Doha Film Institute und des World Cinema Fund (Berlinale). Ihre Regiearbeit umfasst unter anderem "Ali in Paradise / My Name is not Ali" (2011) und "Arij - Scent of Revolutio"n (2014).