Demythologize That History and Put it to Rest

Colonial Neighbours lädt zur dritten Edition der FRAGMENTS Serie ein – einer Reihe von Intervention in und um SAVVYContemporary’s Archivprojekt zur deutschen Kolonialgeschichte. FRAGMENTS ist eine Serie von Interventionen durch Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, die sich kritisch mit kolonialen Geschichten und Präsenzen auseinandersetzen. Das Archiv dient als Ausgangspunkt einer kritischen Befragung und Entwicklung einer künstlerischen Antwort, Infragestellung oder Kontextualisierung des materiellen kolonialen Erbes.

Demythologize That History and Put It to Rest möchte die Idee der durch Denkmäler, Statuen, Straßennamen und andere eurozentrische koloniale Bauten und Orte geformten Erinnerung hinterfragen. Orte der öffentlichen Erinnerung in Berlin und Lissabon, zum Beispiel Statuen von Bismarck, spielen in beiden Städten eine ähnliche Rolle in der Verherrlichung von deutschen und portugiesischen kolonialen Errungenschaften. Durch die fehlende Kontextualisierung, werfen solche Orte und Objekte einen Schatten auf Schwarze Communities und deren Epistemologien, während eine romantisierte eurozentrische Geschichte fortgeschrieben wird. Auf Kosten der Unterdrückung von Schwarzen Menschen wurden und werden weiße europäische Männer in Denkmälern glorifiziert.

Das Projekt umfasst die Entwicklung und Präsentation von künstlerischen Interventionen an öffentlichen Plätzen in Lissabon und Berlin. Das Ziel ist die diese Orte umgebenden Narrative und Einflüsse auf das heutige öffentliche Erinnern und Vergessen zu demythologisieren und den Formen, wie sie bis heute unser Denken, Erleben und Imaginieren beeinflussen, zu widersprechen und mit Gegenformen zu vergelten.

Gibt es eine Unfähigkeit oder einfach Desinteresse seitens Berliner und Lissabons staatlichen Institutionen an einem anderen Umgang mit kolonialverherrlichenden Denkmälern, Statuen, Straßennamen und anderen Formen des öffentlichen Gedenkens? Was für ein romantisiertes Verständnis haben wir als Gesellschaft von diesen Dingen? Und wie können Künstler*innen und Kunstprojekte diese Erzählungen von nationaler Glorie demythologisieren?

Von Edouard Glissants Behauptung inspiriert, Geschichte und ihre Formung dürfe nicht nur Historiker*innen überlassen werden, lädt der Künstler Marcio Carcalho weitere Künstler*innen aus Angola, Kamerun, Gabon, Irak, Mozambik und Portugal ein. Durch Performances und öffentliche Diskussionen schaffen sie Gegenmonumente und -momente zum hegemonialen westlichen Narrativ der Geschichte und suchen andere Erinnerungen und andere Geschichten. Diese neun Künstler*innen beschäftigen sich insbesondere mit Denkmälern von zwei historischen Persönlichkeiten, die einen immensen Einfluss auf die Kolonisierung Afrikas durch die europäischen Mächte hatten, vor allem währen der sogenannten Afrika-Konferenz (1884/86) in Berlin: Otto von Bismarck (Denkmal im Tiergarten, Berlin) und King Charles I (Palacio da Ajuda, Lisbon).

Den Ausgangspunkt bildete ein Fotoalbum, das der Künstler im Colonial Neighbours Archiv in Berlin gefunden hat. Als „Kamerun-Album“ betitelt, versammelt das Buch Fotos von Landschaften, von stolz in die Kamera gehaltenen Elfenbeinzähnen, von „exotischen“ Früchten oder der einheimischen Bevölkerung. Im Hintergrund einiger Fotos sind Bauten von Faktoreien zu erkennen, wie die Hamburger Woermannfaktorei, die mit der “Woermann-Linie” einen erheblichen Beitrag zur Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents geleistet hat. Aspekte von persönlichen und kollektive Erinnerungen verschmelzen zu der europäischen Begierde das ‚Andere’ und das ‚Exotische’ festzuhalten, während Bilder der Faktoreien und Ländereien koloniale ‚Errungenschaften’ glorifizieren. Während der Untersuchung dieses Albums, stößt Marcio Carvalho auf Hinweise: Was ist, wenn er entdeckt, dass dieses Fotoalbum von Otto von Bismarck persönlich ist? Wo könnte das Projekt hinführen, wenn dieser Fund zu seinem Ausgangspunkt wird?

Der kamerunische Künstler Raphael Christian Etongo widmet sich seit fast zwei Jahrzehnten der Performancekunst. Der nonkonformistische Künstler erforscht die Auswirkungen von Mobilität in individuellen und kollektiven Gedächtnisformationen und deren Einfluss auf die Entwicklung verschiedener Gesellschaften. Etongo leitet Perform'action, einen intensiven Workshop für Forschung und Experimente zur Performancekunst, in Yaoundé, Kamerun. Etongos Arbeit wurde auf verschiedenen internationalen Festivals und Projekten gezeigt, wie z.B. LANA, University Of Cape Town, South Africa 2018; SUPERCOPY Festival, Mannheim, Deutschland 2017; BONE Performance Festival, Bern, Schweiz 2016; CO-LAB Editions, Kopenhagen, Dänemark, 2016; WATA DON PASS - Looking West in Malmö, Schweden 2015; "MEDIATIONS BIENNAL", Poznan, Polen 2016; GIPCA Live Art Festival in Kapstadt, Südafrika 2014; AFIRIPERFORMA biennale of performance art, Harare, Zimbabwe 2013; "Spines" Festival in Johannesburg, Südafrika 2012.

Photos von António Pedro Mendes.