We Who Are Not The Same
Exercises Towards The Unmaking Of Patriarchy, Control, Dominion And OtheR Male Cogito’s Misplaced Potencies
Ein einjähriges Forschungs- und Ausstellungsprojekt, das dekoloniale intersektionelle feministische Praktiken und Politik untersucht und hinterfragt, um sich neue Allianzen und politische Praktiken vorzustellen, die auf die Herausforderungen der Gegenwart zu reagieren. Dieses Projekt will einen Raum für kollektive Experimente öffnen, indem es eine gemeinsame Basis und eine neue Sprache schafft, um sich die Bedeutung feministischer Kämpfe wiederanzueignen und neue Solidaritätsbeziehungen aufzubauen.
kuratorinnen Elena Agudio, Nathalie Anguezomo Mba Bikoro and Federica Bueti
Projektkoordination Jörg-Peter Schulze
KuratoriSche Assistenz Kelly Krugman
Eine Bewegung für den Wandel ist eine sich wandelnde Bewegung, die sich selbst verändert, sich selbst demaskulinisiert, sich selbst entwestlicht, eine kritische Masse wird, die in so vielen verschiedenen Stimmen, Sprachen, Gesten, Handlungen sagt: es muss sich ändern; wir selbst können es ändern. Wir, die wir nicht gleich sind. Wir, die wir viele sind und nicht gleich sein wollen.
Die Werkzeuge des Herren werden niemals des Herren Haus niederreißen. Sie erlauben es uns vielleicht, ihn vorübergehend in seinem eigenen Spiel zu schlagen, aber sie werden es uns niemals ermöglichen, echte Veränderungen herbeizuführen.
WE WHO ARE NOT THE SAME übernimmt eine dekoloniale, intersektionelle feministische Perspektive, um Formen der Unterdrückung, Herrschaft, Diskriminierung, des Diebstahls und Verrats zu thematisieren, die die Welt, in der wir leben, bestimmen: es lädt Künstler*innen, Aktivist*innen und Schriftsteller*innen ein, sich mit strukturellen Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen, die das komplexe Zusammenspiel von Klasse, Religion, Ethnizität, Gender und Geschlecht prägen. Diese Beschäftigungen finden alle zwei Monate in einer Reihe von "Übungen" statt, die Vorträge, Lesungen und Workshops sowie Performances und visuelle Interventionen beinhalten.
WE WHO ARE NOT THE SAME nimmt eine klare Haltung ein: es weigert sich, den Feminismus als Etikett zu behandeln, verwirft die Idee eines universellen ‘Frauseins', stellt die Glaubwürdigkeit von Intersektionalitätstheorien und deren Behauptungen von einer homogenen und geeinten Gemeinschaft in Frage, und lehnt den Glauben an eine postfeministische Gesellschaft ab. Jeden Tag erleben wir, dass sich die Gesellschaft nicht von Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten befreit hat. Wir fordern ein Verständnis des Feminismus als eine Weltanschauung, die im Gegensatz steht zur Gewalt und Entmenschlichung, die der Kapitalismus und seine weiße westliche Ideologie hervorbringen. Wir stellen zutiefst in Frage, wie der Neoliberalismus den Feminismus als einen weiteren Mechanismus für wettbewerbsorientiertes Selbst-Stylisierung vermarktet. Wir glauben, dass die Neubewertung bestimmter Erfahrungen und Werte es ermöglicht, neue Formen der Ermächtigung, des Widerstands, der Koalitionen, der neuen Politik von sozialer Reproduktion und neue Handlungsoptionen zu schaffen. In diesem Sinne bemühen wir uns, Werte aktiv anzunehmen, die historisch Frauen zugeschrieben und als weiblich verhöhnt wurden, um, wie Nina Power vorschlägt, "Werte wie Fürsorge, Mitgefühl und Kollektivität" dem Wettbewerbs-Individualismus neoliberaler Gesellschaften entgegenzusetzen. “Was wäre, wenn wir, anstatt zu kämpfen, um zu konkurrieren, oder überhaupt zu konkurrieren", schreibt Power, "stattdessen für eine Neubewertung dessen kämpfen würden, das für das Wohlergehen und die Existenz der Menschheit als solche am wichtigsten ist?” [1]
Das Projekt konzentriert sich auf die Pluralität und Spezifitäten von Frauen, People of Colour, Trans- und Queer-Erfahrungen. Dabei geht es weniger darum, diese Erfahrungen zu preisen, als vielmehr ernsthaft darüber nachzudenken, inwiefern sie alternative Wege vorschlagen, um auf die Herausforderungen unserer Gegenwart zu reagieren. In Anerkennung des historischen Versagens weißer nordamerikanischer und europäischer feministischer Praktiken, Fragen von race, Klasse und Trans-Körpern angemessen zu behandeln, stellt WE WHO ARE NOT THE SAME die Methode in den Vordergrund, mit der feministische Praktiken und Ästhetiken eine verkörperte Kritik an den strukturellen Ungleichheiten und der Gewalt des globalen Kapitals entwickeln. Es verweist auf alternative Geschichten und Epistemologien, von denen aus wir anfangen, die Art und Weise, wie wir zusammen leben, zu überdenken.
Der Titel dieser Reihe ist von Adrienne Rich geliehen, die sich den Feminismus als eine Bewegung für den Wandel vorstellte, die "eine sich verändernde Bewegung ist, die sich selbst verändert, sich demaskulinisiert, sich selbst ent-westlicht, zu einer kritischen Masse wird, die in so vielen verschiedenen Stimmen, Sprachen, Gesten, Aktionen sagt: es muss sich ändern. Wir, die wir nicht gleich sind. Wir, die wir viele sind und nicht gleich sein wollen." [2] Die Vielstimmigkeit, für die sich zwei feministische Bewegungen so ehrgeizig eingesetzt haben, fordert uns auf, Sprachen zu finden und neue Mythologien zu erfinden, um der Realität, die wir verkörpern und in die wir eingebettet sind, gerecht zu werden.
In diesen Zeiten des Grauens, in einer verletzten und blutenden Welt, erinnert uns die Schriftstellerin Toni Morrison, ist es gerade an der Zeit, für Künstler*innen an die Arbeit zu gehen.[3] Es ist genau jetzt, hier und jetzt, dass wir es uns nicht leisten können, entmutigt zu sein und zu schweigen, es ist genau in diesem Moment, dass wir uns versammeln, reflektieren, diskutieren und handeln müssen; unaufhörlich die Machtstrukturen zu hinterfragen, in die wir eingebettet sind – wie es SAVVY Contemporary kontinuierlich anstrebt. WE WHO ARE NOT THE SAME stellt einen Raum für ‚response-ability‘ dar: die Fähigkeit, zu reagieren, betroffen von etwas zu sein, für verantwortlich zu sein, sich umeinander zu kümmern und füreinander zu sorgen. Audre Lorde schrieb: "Für die Frauen ist das Bedürfnis und der Wunsch, sich gegenseitig zu nähren, nicht krankhaft, sondern erlösend, und in diesem Wissen habe ich unsere wirkliche Macht wiederentdeckt. Es ist diese wahrhaftige Verbindung, die von einer patriarchalischen Welt so gefürchtet wird. Nur innerhalb einer patriarchalischen Struktur ist die Mutterschaft die einzige soziale Macht, die Frauen offen steht. Die Interdependenz zwischen Frauen ist der Weg zu einer Freiheit, die es dem Ich erlaubt zu sein, nicht um benutzt zu werden, sondern um kreativ zu sein. (...) Ohne Gemeinschaft gibt es keine Befreiung, nur den höchst angreifbaren und vorübergehenden Waffenstillstand zwischen einem Individuum und ihrer Unterdrückung. Aber Gemeinschaft darf nicht bedeuten, dass wir unsere Differenzen aufgeben, und auch nicht den pathetischen Vorwand, dass es diese Differenzen nicht gibt.”[4]
Mit WE WHO ARE NOT THE SAMEwollen wir aufzeigen, wie feministische kulturelle und künstlerische Praktiken dazu beitragen können, unsere Seinsweisen und Denkweisen zu dekolonisieren - innerhalb bestehender kultureller Institutionen sowie innerhalb der Horizonte des Möglichen, indem wir anerkennen, dass die Welt nicht eins ist, und indem wir einen Beitrag zu einer neuen trans-feministischen kollektiven Politik und zu sozialen Bündnissen leisten.
Gefördert im Hauptstadtkulturfonds.
Nina Power, Why don’t women stop playing this rigged capitalist game? In “The Guardian”, Tuesday 2 August 2016, https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/aug/02/women-stop-playing-rigged-capitalist-game-saatchi-kevin-robert
Adrienne Rich, “Notes Towards a Politics of Location”, in Blood, Bread, and Poetry (New York: WW, Norton,1986), (225).
Toni Morrison, No Place for Self-Pity, No Room for Fear. In times of dread, artists must never choose to remain silent in “The Nation Magazine”, March 23, 2015: https://www.thenation.com/article/no-place-self-pity-no-room-fear/
Audre Lorde, The Master's Tools Will Never Dismantle the Master's House, 1979.