EYES, COME BACK

EINE SZENISCHE AUSSTELLUNG
VON Setareh Shahbazi
MIT Mirene Arsanios, Haytham el-Wardany, Ann-Kristin Hamm, Nancy Naser Al Deen, Sama Ahmadi, Reihaneh Mehrad, Sedami Gracia Elvis Theodor Ophelia Azilinon, Malonda, +++
ERÖFFNUNG 12.06.2025 19:00
ZU SEHEN 13.06.–03.08.2025 DONNERSTAG–SONNTAG 14:00–19:00
Freier Eintritt Spenden erwünscht
Besuch SAVVY ist mit dem Rollstuhl zugänglich
AKTIVIERUNGEN
27.06.2025 19:00
Anti/Inter-Connection
Performance in Zwei Teilen
Teil 1: Goat-Heart-ing on Site-Poetics of Coward-ness/ بزدل
Teil 2: A Heart Carving After Air
Mit Reihaneh Mehrad & Sedami Gracia Elvis Theodor Ophelia Azilinon
04.07.2025
Memory Shuffle
Geschlossene Veranstaltung
Mit Haytham el-Wardany
24.07.2025 19:00
Schwarze Medusa: Sieben Gesänge über Körper und Schlachtfelder
SPOKEN WORD & KONZERT
Mit Malonda
14.06.2025 15:00 IN ENGLISH Mit Setareh Shahbazi
22.06.2025 17:00 IN ENGLISH Mit Meghna Singh
26.06.2025 16:00 IN ENGLISH Mit Kelly Krugman
03.07.2025 16:00 IN ENGLISH Mit Kyle Colón
12.07.2025 17:00 IN ENGLISH Mit dem Produktionsteam
25.07.2025 16:00 IN ENGLISH Mit Meghna Singh
27.07.2025 16:00 IN GERMAN Mit Setareh Shahbazi
31.07.2025 17:00 AUF DEUTSCH Mit Anna Jäger
01.08.2025 16:00 IN ENGLISH Mit Kelly Krugman
01.08.2025 17:00 Auf FARSI Mit Reihaneh Mehrad
Fühlt Euch herzilch eingeladen zu EYES, COME BACK – eine szenische Ausstellung von Setareh Shahbazi mit Mirene Arsanios, Haytham el-Wardany, Ann-Kristin Hamm, Nancy Naser Al Deen, Sama Ahmadi, Reihaneh Mehrad, Sedami Gracia Elvis Theodor Ophelia Azilinon, Malonda, und anderen.
Setareh Shahbazi ist die 2024/2025 Preisträgerin von Wi Di Mimba Wi – einem Kommissionspreis für Künstler:innen of Colour in Deutschland, der von der AKB Stiftung und SAVVY Contemporary ins Leben gerufen wurde. EYES, COME BACK ist eine Einzelausstellung, die sich gegen die einschränkende Vorstellung von Künstler:innen als vereinzelte Körper oder als singulär Schaffende wendet. Stattdessen entfaltet sich die Ausstellung als eine sich entwickelnde kollaborative Untersuchung der Erinnerung und ihrer Brüche, die einen kollektiven Blick erzeugt, durch den wir die Welt und uns selbst betrachten. Auf diese Weise wird EYES, COME BACK sowohl zu einer Auseinandersetzung mit dem Erinnern als auch zu einer Weigerung, zu vergessen.
Angesichts der derzeitigen historischen Phase, in der die Fassaden der Demokratie im Westen bröckeln, ist Shahbazis Arbeit von kritischer Dringlichkeit, da sie den aufrüttelnden, revolutionären Charakter des Tricksters und die Kraft eines miteinander verbundenen Blicks bündelt. Shahbazis Arbeiten laden uns ein, unseren Blick mit zusammengekniffenen Augen scharf zu stellen und in die trüben Tiefen zu blicken, die die Kämpfe zwischen Teheran und Beirut, zwischen Beirut und Berlin, und darüber hinaus verbinden.
INTERWOVEN SENSING: FRACTURES, FLASHBACKS, FLICKERS
Der Titel der Ausstellung geht auf eine indigene nordamerikanische Geschichte zurück, die Shahbazi seit langem begleitet. Die mündlichen Überlieferungen dieser Geschichte erzählen von einem Kojoten, einer archetypischen Tricksterfigur, der in der Wüste einen alten Mann trifft, der seine Augen in eine Pappel wirft, um von oben sehen zu können. Mit den Worten „Augen, kommt zurück“, ruft er sie wieder zu sich. Fasziniert von der Möglichkeit der erweiterten Sicht, eignet sich der Kojote das Ritual an und wiederholt es so häufig, dass er durch Überbeanspruchung seine Augen an den Baum verliert. Hilflos ohne sein Augenlicht, leiht sich der Kojote ein Auge von einer Maus und ein anderes von einem Stier und orientiert sich fortan in der Welt durch einen vielfältigen Blick. Versionen dieser Geschichte werden in den mündlichen Überlieferungen der indigenen Gemeinschaften der Ute, der Pueblo und der Warm Springs in Nordamerika erzählt, und jede von ihnen enthält Lektionen über die Wahrnehmung und die Gefahren von eigennützigen Motiven, die über interdependente Lebensweisen gestellt werden.
Die Geschichte ermöglicht ein Konzept für ein Sehen, das vielschichtig ist – spirituell, emotional, relational – und das auf ein verwobenes Wahrnehmen hinweist. Ein Blick, der geschwächt wird, wenn er sich zu weit vom Gemeinschaftskörper entfernt; ein Blick, der vom Kollektiv stets neu geschaffen und gestärkt wird. Diese vielgestaltige, ineinander verwobene Art des Sehens, die in der Geschichte beschrieben wird, ähnelt derjenigen, die Setareh Shahbazi in ihrem Werk entwirft. Indem sie mit vielgestaltiger Wahrnehmung spielt – Wer sieht? Was wird gesehen? Wann und warum? – und damit, wie wir in den Akt des Sehens verwickelt werden, schafft Shahbazi einen direkten Gegenpol zu einer Technologie des Sehens, die eine Form neokolonialer und imperialer Herrschaft darstellt. Die oppositionellen Augen in den Bäumen unserer Zeit sind die Drohnen, die die fortschreitende Zerstörung von Palästina, Kaschmir, Jemen und anderen Gemeinschaften überwachen, die durch das mutierende Erbe von Imperien verletzlich geworden sind; sind die Online-Monitore und die Kameras, die auf Andersdenkende im Herzen der Metropole Berlin gerichtet sind; sind die Internetzensoren, die unterdrücken und kontrollieren, was in Teheran sichtbar ist. In diesen Kontexten der Visualisierung als Kontrolle und Auslöschung interveniert Shahbazis Arbeit in die dominanten Ordnungen des Sehens: Sie stört Systeme, die darauf ausgelegt sind, zu verschleiern, zum Schweigen zu bringen und zu unterdrücken, indem sie einen Blick mit anderen zusammensetzt, der stattdessen wieder verbindet und ein gemeinsames Erzählen ermöglicht.
Shahbazis facettenreiche Sichtweisen sind nicht unmittelbar hochauflösend oder absolut transparent. Die Künstlerin arbeitet stattdessen mit der Sprache des Unterbewusstseins, die auf das Bewusstsein und die stark vermittelte Eigenschaft der Erinnerung trifft und das Reale ins Surreale verschwimmen lässt. Dabei löst sie eine Orientierungslosigkeit aus, die zur Neuorientierung führt. In meist kollaborativen, transdisziplinären Formationen verwebt Shahbazi Fotografie, digitale Montage, Archivmaterial, Zeichnung und Installation, um Raum für das zu schaffen, was nicht aufgelöst werden kann. Die Arbeiten nehmen ihren Ausgangspunkt häufig in einer Sammlung von Bildern aus privaten Archiven, Filmstills, Postkarten, Schnappschüssen, Zeitungsausschnitten und von der Künstlerin selbst aufgenommenen Fotos. Eine Arbeit beginnt oft mit einer Sammlung von Bildern aus privaten Archiven, Filmstills, Postkarten, Schnappschüssen, Zeitungsausschnitten und von der Künstlerin selbst aufgenommenen Fotos. Diese Bilder erfahren dann eine Verwandlung und verändern ihre Form durch schichtweises Rekonstruieren und Bearbeiten. In diesem Bereich erscheinen Bild, Identität und Ort nicht als feste Konstrukte, sondern als wandelbare Prozesse, in denen sich die Vielfalt von Menschen, Orten und Zeitlichkeiten vermischt.
EIN BLICK, DER NEU ZUSAMMENGESETZT & MITEINANDER ZUSAMMENGESETZT WIRD
EYES, COME BACK eröffnet eine neue Sichtweise und einen neuen Zugang zu Setareh Shahbazis künstlerischer Praxis. Ältere Arbeiten tauchen in neuer Gestalt wieder auf, fragmentiert und umgearbeitet. Sie werden, im Sinne Toni Morrisons, “re-membered” – das Zerstückelte wird sowohl erinnert als auch wieder zusammengesetzt. Hier fügt sich eine Zeile des kaschmirischen Dichters Agha Shahid Ali ein, der in seinem Gedicht „Farewell“ schreibt: „Meine Erinnerung kommt deiner Geschichte in die Quere.“ Shahbazi weitet die Aussage des Dichters aus und lädt uns alle ein, kollektive Erinnerungen zu schaffen, die der Geschichte des Unterdrückers in die Quere kommen.
Der Mittelpunkt von EYES, COME BACK ist geprägt von einer Fotografie, die Shahbazi seit vielen Jahren aufbewahrt. In ihr prallen drei gemusterte Flächen in einem Schrein surrealistischer Verzerrung aufeinander. Im gesamten Ausstellungsraum werden die Mechanismen der Ausstellung, ihre inneren Getriebe und Zahnrädchen, mit Holzbrettern, Farbeimern und Pappunterlagen deutlich sichtbar gemacht, um die Arbeit des Aufbaus zu zeigen. Shahbazi besteht darauf, dass wir die Rahmen dessen, was hinter den Kulissen unseres Schaffens konstruiert wird, nicht vergessen, sowohl im Kontext von Ausstellungen als auch bei der Bildung unserer Erinnerung.
EYES, COME BACK wird durch diese szenografische Intervention zusammengehalten – die ihrerseits verschiedene Stränge kollaborativen Schaffens zusammenhält. Künstlerische Beiträge und Aktivierungen der von Shabazi eingeladenen Mitwirkenden rahmen und formen jede Bühne, überlagern und schichten die Bedeutungen. Nancy Naser Al Deen und Sama Ahmadi übersetzen Shahbazis Szenografie für den Raum bei SAVVY, schaffen die Architektur und Rahmen für diese Überlagerungen. Haytham el-Wardany, Malonda und Reihaneh Mehrad and Sedami Gracia Elvis Theodor Ophelia Azilinon laden in Zusammenkünften und Performances zu körperlicher, kollektiver Präsenz und Mitwirkung ein. Das letztgenannte Duo ist mit seinen Installationen im Raum auch in der Ausstellung präsent. Die Pinselstriche von Ann-Kristin Hamm absorbieren und verwischen Präsenz und Erinnerung; die Stimme von Mirene Arsanios erfüllt den Raum und befragt den Untergang sowie das, was ihm vorausgehen und folgen könnte.
Mit dieser Ausstellung besteht Shahbazi darauf, dass die Rückgewinnung unserer Vision – unserer Fähigkeit, innerlich und äußerlich mit mehreren Augen zu sehen – eine Form des Überlebens, der Nonkonformität, der kollektiven Verarbeitung und letztlich des Handelns ist. EYES, COME BACK wird zu einem flüchtigen Raum des Widerstands, in dem wir aufgefordert werden, zu hinterfragen, zusammenzukommen, zu interagieren und gemeinsam Landkarten in den Löchern im Himmel zu suchen, wie Joy Harjo schreibt:
In den letzten Tagen der vierten Welt wollte ich eine Karte erstellen, für
jene, die durch das Loch im Himmel klettern würden.
Meine einzigen Werkzeuge waren die Sehnsüchte der Menschen, wie
sie auf den Schlachtfeldern, in den Schlafzimmern und Küchen entstehen.
Die Seele ist schließlich ein Wanderer mit vielen Händen und Füßen.
[...]
Eine unvollkommene Karte muss genügen, Kleines.
„A Map to the Next World“ von Joy Harjo
SETAREH SHAHBAZI wurde 1978 in Teheran – genau ein Jahr und einen Tag vor der Islamischen Revolution in Iran. Ihre Familie zog in den 1980er Jahren als politische Flüchtlinge nach Süddeutschland. Sie studierte Szenografie und Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und verbrachte die folgenden zehn Jahre in Beirut, Teheran, Kairo und Berlin, wo sie seit 2013 lebt und arbeitet. In ihrer Arbeit lässt sie sich von visuellen Objekten inspirieren, die sie umgeben, von alten Familienfotos bis hin zu Zeitungsausschnitten, die in ihre konzeptionellen Installationen, mehrfarbigen Drucke und digital bearbeiteten Fotomontagen einfließen. Durch ihre künstlerische Praxis bietet Shahbazi rekonstruierte Erzählungen, die gleichzeitig aus persönlichen Geschichten und vergessenen Gegenständen, die sie findet, stammen. Ihre Werke wurden in Ausstellungen im Iran, Libanon, Deutschland, Italien und Frankreich gezeigt.
TEAM
KURATION Kelly Krugman, Meghna Singh
KURATORISCHE BERATUNG Mirjami Schuppert
SZENOGRAPHIE & PRODUKTION Nancy Naser Al Deen, Sama Ahmadi
AUFBAU & ART HANDLING Ayham Allouch, Rafał Łazar, Mar Mariou, Jessie Omamogho, Dušan Rodić, Mine Serizawa
PROJEKTMANAGEMENT Anna Fasolato
GESAMTMANAGEMENT Lema Sikod
KOMMUNIKATION & ÜBERSETZUNG Anna Jäger
GRAPHIKDESIGN Aziza Ahmad
TON Bert Günther
LICHT Emilio Cordero
PRAKTIKUM Kyle Coldón, Angel Fan
VISUAL Aziza Ahmad
Zusammenarbeit & Förderung Das Projekt wird großzügig unterstützt von der AKB Stiftung.
