Enigma#59: Roman

Wie der Fluss, der sich in der Regenzeit bei seinem Erinnerungsprozess seinen Weg durch den Raum "flutet", ruft Bili Bidjocka zu einer Retrospektion auf. Keine Retrospektive, sondern eine Möglichkeit, seine Praxis als Künstler, die sich über Jahrzehnte und Geografien erstreckt, neu zu betrachten. Die Aufforderung, die kaum jemals vollständig artikuliert wird, besteht darin, zurückzublicken, sich zu erinnern, offenzulegen, diese Räume im hinteren Teil des Unterbewusstseins zu durchforsten und sich dann, wenn man etwas findet, wieder zu erinnern. Die Aufforderung besteht darin, über die Betrachtung des Archivs als etwas in der Vergangenheit Liegendes hinauszugehen, nachzudenken und sich das Archiv als den Stein im Fluss vorzustellen, der jedes Streicheln des vorbeifließenden Wassers aufzeichnet, das Archiv als den Fluss zu betrachten, der aus dem Bemühen entspringt, sich daran zu erinnern, wo er schon einmal war, und jeden Zentimeter Land beansprucht, auf dem und durch den er einst floss.

Die Aufforderung ist zu sein. Sein in der Abwesenheit und in der Anwesenheit. Sein als Archiv selbst.

Bili Bidjockas Retrospektion ist eine Ausstellung als Spiel, Gedicht und Choreografie. Indem er den Raum füllt und fühlt, stellt der Künstler Fragen nach Erinnerung und notwendiger Amnesie, nach dem Sein und dem Spielen, nach Anwesenheit und Abwesenheit mittels Werken, die während seines einmonatigen Aufenthalts bei uns in Berlin entstanden oder wieder geschaffen wurden. Plastik, Holz, organische Materialien, Texte und Videos ziehen in das Erdgeschoss und das Souterrain von SAVVY Contemporary ein und laden die Besucher:innen ein, an den Rätselspielen des Künstlers teilzunehmen.

BILI BIDJOCKA wurde 1962 in Douala/Kamerun geboren und lebt seit 1974 in Paris, wo er sich nach Tanz und Theater an der Hochschule für Bildende Künste einschrieb. Die Antworten, die ihm seine Lehrer:innen dort gaben, die Gewissheiten, die sich in den Köpfen der Studierenden festsetzen, haben sich längst als unzureichend erwiesen. Die Konfrontation mit den Gesetzen des Marktes, der Geschichte und seiner eigenen afrikanischen Identität zwang ihn, den Begriff der Kunst mit neuen Augen zu sehen. Nach der Malerei wendet er sich der Installation und der theatralischen Inszenierung zu. Seine Werke werden zu Puzzles, zu Rätseln, mit denen er die grundlegende Untersuchung von Sinn und Zweck des künstlerischen Schaffens fortsetzt.

Bili Bidjocka nahm an zahlreichen internationalen Ausstellungen teil: an den Biennalen von Johannesburg (1997), Havanna (1997), Dakar (2000, 2016), Taipeh (2004) und Venedig (2007). Er präsentierte seine Arbeiten in verschiedenen Museen und Kunstgalerien: New Museum of Contemporary Art in New York; ARC Museum of Modern Art in Paris; Palace of Fine Arts in Brüssel; Goodman Gallery, Johannesburg & Kapstadt; sowie in den Ausstellungen Africa Remix und The Divine Comedy von Simon Njami. Er ist der Gründer der kreativen Plattform Matrix Art Project (MAP) in Paris, Brüssel und New York.

Im Jahr 2014 nahm er SAVVY Contemporarys Projekt Wir Sind Alle Berliner 1884-2014. A Commemoration of the Berlin-Congo Conference teil. 2017 wurde er von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, dem Curator at Large der documenta14, die in Athen und Kassel stattfand, beauftragt, mit seiner Installation The Chess Society teilzunehmen, die gleichzeitig ein digitales Projekt und eine Ausstellung in Athen war. Enigma #59: Roman ist seine erste Einzelausstellung in Berlin.