While Our Parents Worked for Wages  

Das Künstler:innen-Trio Mizi Lee, Y-Thanh Vo und Julius Nägel laden Kinder dazu ein, in einem Workshop gemeinsam Mechas zu bauen. Sie werden aus alten Pappkartons gefertigt, die uns an japanische Animes erinnern und die wir tatsächlich besteigen und steuern können. Der Künstler Julius Nägele wird einige kinetische Bewegungen zu diesen Mechas beisteuern. Das Trio möchte die eigene Freude und Begeisterung aus der Kindheit mit Menschen teilen, die sich entweder auch dafür begeistern oder noch keine Berührungspunkte damit hatten.

Die Cyborg träumt nicht von einem sozialen Lebenszusammenhang nach dem Modell einer organischen Familie, egal ob mit oder ohne ödipalem Projekt. Sie würde den Garten Eden nicht erkennen, sie ist nicht aus Lehm geformt und kann nicht davon träumen, wieder zu Staub zu werden.

Donna Haraway, 1991. “A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century” [Ins Deutsche übertragen von Fred Wolf: "Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften", in: Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt a. M. und New York 1995. S. 33- 72.]

In der kleinen Pause all der Kriege in Südostasien – nicht nur des Zweiten und des Kalten Krieges, sondern auch des Koreakrieges und des Vietnamkrieges– war die Ästhetik der Subkultur in Süd-Korea von Cyberpunk und Jahrhundertwende geprägt. Die Baby-Bommer Generation, die das Land wieder aufbauen sollten, mussten ohne Pausen und Wochenenden arbeiten, ihre Kinder saßen vor dem Fernseher, statt mit den Eltern in der Natur spazieren zu gehen. Im Fernsehen liefen Sailor Moon, Space Cowboy Bebop, Gundam oder Neon Genesis Evangelion. Die Kinder knieten sich vor den Bildschirm, um zu sehen, wie sich Sailor Moon in andere Wesen verwandelte (Sailor Make-Up) oder Gundam sich mit präzisen mechanischen Bewegungen vergrößerte – diese Metamorphose wurde dann immer mit sehr eindrucksvoller Orchestermusik untermalt. Für Held:innen der Künstlerin Mizi Lee waren Don Giovanni oder Fidelio und ihre Kultur. Und Kultur bedeutet für sie bis dato Subkultur, nicht nur die eurozentrisch kanonisierte Hochkultur. 

Die Animes, die zwischen den 1970er und 90er Jahren in Japan produziert wurden, thematisierten das Trauma der Nachkriegszeit intensiv, und zwar aus der Sicht der Täter. Sinji aus Neon Genesis Evangelion, scheinbar der einzige junge Mann, der die Welt retten kann – wie Neo in Matrix – weigert sich, auf den Roboter zu steigen, um Menschen zu töten, und beschließt schließlich, den Kampf aufzugeben. Die letzte Episode von Neon Genesis Evangelion ist für ihre Abstraktheit bekannt, was für Kinderanime zu dieser Zeit nicht üblich war. Das Publikum wird eingeladen, in seine Seele einzudringen, und der Anime zeigt in wechselnden abstrakten Bildern seine Verwirrung als Held, der er nicht sein will. Lange bevor Donna Haraway “A Cyborg Manifesto” schrieb und den:die Cyborg als Grenzgänger:in zwischen Mensch und Maschine vorschlug, wurde die Synchronität zwischen Mensch und Roboter bereits in den 1950er Jahren in sogenannten Cyberpunk-Mangas und Animes thematisiert. Astro Boy Atom(1952–1968) von Tezuka Osamu sollte den Sonn des Entwicklers ersetzen und wurde von diesem weggeworfen, weil er nicht wie menschliche Jungen wuchs. Eine übliche Inszenierung von Roboter-Mangas ist auch, dass der Pilot verletzt wird, wenn der Roboter an der Stelle beschädigt wird, an der er eingestiegen ist. Aber es ist anders als bei Iron Man oder Batman – die Roboter sind nicht einfach die Rüstung, die auf den Körper passt, sondern eine Vergrößerung des Körpers. Da ist die Verbundenheit zwischen Pilot:innen und Robotern immer wichtig. Dieses Konzept erreichte seinen Höhepunkt bei der Auflösung der Geheimnis hinter der Schlacht der Roboter in Neon Genesis Evangelion – die Roboter wurden aus den Leibern der Mütter der Pilot:innen geboren. Geistlose, kalte Maschinen werden plötzlich zum warmen Mutterleib und man fühlt sich hinter dem Rücken der starken, großen Maschinen gesegnet. “Mecha" ist der Name eines Genres der ostasiatischen Subkultur, abgeleitet von diesen Roboteranimationen und Cyberpunk-Filmen, in denen große Roboter in menschlicher Gestalt dargestellt werden.

MIZI LEEnutzt alle Arten von Medien und überschreitet die Grenzen aller Disziplinen, um ein einzigartiges Ereignis zu schaffen. Manchmal gründet sie einen Fake–Supermarkt, um Broschüren voller Kunstwerke zu drucken, manchmal schreit sie in einer Punkband in der Berliner Kulturbrauerei oder in einem alten Zug am Stuttgarter Nordbahnhof. Sie arbeitet in einem interdisziplinären Kollektiv, weil sie glaubt, dass Kunstwerke mehr als nur eine Künstlerin brauchen. Im Jahr 2022 gründete Lee die Punkband Horizontaler Gentransfer (HGT), mit der sie Projekte an der Schnittstelle von bildender Kunst, Performance und Theater durchführt.

Y-THANH VÕstudiert seit 2017 Kommunikationsdesign bei Patrick Thomas an der ABK Stuttgart. Sie hat Printdesign und Social Media Design u.a. für Komma Esslingen, Merlin Stuttgart und Container't gemacht. Sie arbeitet bereichsübergreifend – gelegentlich legt sie auf Musikfestivals wie dem New Normal auf, arbeitet mit anderen Künstler:innen zusammen oder gibt Workshops für Kinder. Seit 2021 ist sie Teil der studentischen Initiative cute und artsy, einer Gruppe an der Kunsthochschule, die sich mit verschiedenen Formen von Diskriminierung auseinandersetzt.

JULIUS NÄGELEarbeitet mit verschiedenen Medien, darunter Kinetik und Druckgrafik. Seine Drucke sind derzeit in der Ausstellung Stand Jetzt von Preisträgern des Walter Stöhrer Preises für Grafik zu sehen. Das begehbare automatische Instrument „T.O“ wurde nach zweieinhalbjähriger Bauzeit im Gäubahnatelier G2 der Wagenhalle Stuttgart präsentiert.