Sickness Report:
Barbora Kleinhamplová

In einem neuen Film und einer Installation, die speziell für  SAVVY Contemporary geschaffen und von der Jindřich Chalupecký Society in Auftrag gegeben wurde, thematisiert die tschechische Künstlerin Barbora Kleinhamplová die Krankheit des Neoliberalismus durch eine metaphorische Reise, sowohl an Land als auch in die Mechanismen der Fabrikation von Luxusyachten und Medikamenten. Dieser anthropologische Bericht über einen bürgerlichen (Alb)Traum ist eine schwindelerregende Erkundung, die Zuschauer*innen einlädt, ihre mögliche Übelkeit als Teil von etwas Größerem zu betrachten:

Es sind nicht nur sie oder wir, die krank sind. Das ganze Schiff zittert vor Übelkeit und Unbehagen. Stillstand ist kaum von Schwindel zu unterscheiden und Beschleunigung verstärkt die Reisekrankheit sowohl der Besatzung als auch des Decks, das die gequälten Körper und Köpfe trägt. Für diejenigen, die Schmerzen haben, klingt es nicht nach einer Lösung, einfach darauf zu warten, dass das Boot auseinander fällt und dann von vorne zu beginnen, ein besseres zu bauen. Es könnte zu lange dauern. Es könnte nie passieren. Zeit kann irreversible Schäden mit sich bringen. Das Meer ist vielleicht nicht sehr entgegenkommend. - Dennoch sind jene an Board, während andere ertrinken. Das Verschreiben von mehr und mehr verschiedener Medikamente ist eindeutig nicht in der Lage, strukturelle Veränderungen herbeizuführen. Die Symptome sind wiederkehrend, kopiert-eingefügt, verbreitet auf den meisten der Schiffe, die turbulente Meere befahren. Schläfrigkeit, Schwindel, Unbehagen, Ruhelosigkeit, wiederholtes Gähnen, Unwohlsein, Übelkeit, Blässe, Schwitzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Brustschmerzen oder -enge, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Apathie. Die Symptomminderung hat sich als einfacher erwiesen als die Suche nach Ursachen.

Alle nehmen teil. Sogar die Ärzt*innen sind krank. Die Arbeiter*innen in den Pharmafabriken sind krank. Die Unterschiede sind meist ökonomisch. Nur wenige können sich eine Technik leisten, die ihr Wasserfahrzeug aus dem weit verbreiteten Elend herausholt. Manche können es sich leisten, nicht gesund zu sein. Manche können sich die Ärzt*innen und Pillen leisten. Und doch geht es ihnen nicht wirklich besser. Die Mehrheit arbeitet und bezahlt dafür, dass das Schiff nicht auseinanderfällt. Am Abend setzen sie sich hin und beobachten, wie es sich beschleunigt, einrenkt, stagniert. Sie lernen zu denken, dass Krankheit ihr persönliches Problem ist und daher individuell behandelt werden muss. Sie wissen nicht, wen oder was sie sonst noch beschuldigen könnten.
 
Die Ausstellung wurde mit freundlicher Unterstützung des Tschechisch-Deutschen Zukunftsfonds und des tschechischen Kulturministeriums realisiert.

BARBORA KLEINHAMPLOVÁ (*1984) ist eine Künstlerin, die in Prag lebt und arbeitet. Barboras Arbeit ist in der Beziehung zwischen der menschlichen Existenz und zeitgenössischen politischen und wirtschaftlichen Institutionen verwurzelt. Sie kommentiert verschiedene Schichten der Gesellschaft und stellt hinterfragt, was Gesellschaft ist, wie sie funktioniert und was ihre konstitutiven Elemente, Krankheiten, Emotionen und Zukünfte sind. In letzter Zeit hat sie eine Strategie verfolgt, die wir als konstruierte oder inszenierte Situationen bezeichnen könnten. Das Konzept ihrer Arbeiten basiert oft auf einem bestehenden Format der Gruppeninteraktion (Therapie, Coaching etc.) während die performative Ebene ihrer Projekte die symbolische Rolle der Körperpolitik in aktuellen Machtsystemen betont. 

Ihre Arbeiten wurden sowohl in Tschechien als auch international ausgestellt - darunter die Jakarta Biennale (2017), die 11. Gwangju Biennale (2016), die Elizabeth Foundation for the Arts, New York (2016), das New Museum, New York (2014), oder Astrup Farnley Museet, Oslo (2014). Sie erhielt ein Stipendium im Rahmen des Residency Programms von MMCA, Seoul, Südkorea im Jahr 2015, Gasworks, London im Jahr 2016 und Residency Unlimited im Jahr 2017. Im Jahr 2015 erhielt sie den Jindřich Chalupecký Award.

Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans
Barbora Kleinhamplová: Sickness Report. 2018 | Photo: Marvin Systermans