REFUGE IN THE VEGETAL WORLD

Ein solche Koexistenz mit pflanzlichen Wesen – ich könnte beinahe von einem pflanzlichen Dasein sprechen – hält mich am Leben und begleitet heimlich meine Worte. Anders gesagt: Kann ich überhaupt noch unter die Menschen zurückkehren und über welchen Weg?

Luce Irigaray

Im Rahmen der achten Zusammenarbeit zwischen SAVVY Contemporary und MaerzMusik widmet sich die Einzelausstellung und Veranstaltungsreihe REFUGE IN THE VEGETAL WORLD dem Schaffen der Komponistin, Klangkünstlerin und Musikerin Miya Masaoka.

Das Projekt nimmt Überlegungen aus der Publikation Through Vegetal Being. Two Philosophical Perspectives, mitverfasst von Luce Irigaray, als Ausgangspunkt und beleuchtet Miya Masaokas umfassendes Werk, indem es die Bedeutung pflanzlichen Lebens untersucht und die unzähligen Möglichkeiten der Kollaboration zwischen menschlichen und außermenschlichen Wesen erkundet. Der jeweilige Kontext, in dem jedes ihrer Werke existiert und präsentiert wird – sei es als Installation, Live- Performance oder Komposition – ist grundlegend für die Untersuchungen in Masaokas Schaffen: Jenseits der anthropozentrischen Sichtweise, die streng zwischen Menschen und sogenannten „Nicht-Menschen” unterscheidet, verkörpern die präsentierten Werke das ständige Bemühen, die wahrgenommene Passivität und Objektivierung von Pflanzen, Tieren und Instrumenten neu zu kontextualisieren.

So tritt Masaoka als Gestaltwandlerin in Erscheinung, die nahtlos zwischen den Rollen der Komponistin, der Performerin, des Klangerzeugerin und der Vermittlerin wechselt. In der Ausstellung wird Masaokas vielschichtige Herangehensweise an Klang und ihre tiefgreifende Verbundenheit mit der Natur deutlich. Von einem Stück zum nächsten durchläuft ihre Identität eine fortwährende Metamorphose. Ihr Körper verwandelt sich in eine lebende Leinwand, auf der sich Bienen versammeln und ausruhen, während ihre Hände als Gefäße für die Übersetzung von Klängen dienen, die aus den von Pflanzen freigesetzten Energien stammen. Masaoka schöpft aus der unmittelbaren Energie der Pflanzen und lässt sich dabei von Göttergeistern wie den Kamui oder Inau aus der Ainu-Mythologie inspirieren.

Den Pflanzen kommt in der japanischen Tradition eine lebenswichtige Bedeutung und eine entscheidende Rolle bei Aufführungen auf der Bühne zu. In ihren Klangstücken sind mehr als nur menschliche Wesen aktive Mitwirkende und wesentliche Bestandteile eines reichen Klangteppichs. Masaoka beschwört ihr Alter Ego, Hiko Hiko, herauf, die an die Tradition der weiblichen Schamanen anknüpft und als Verbindung zum Göttlichen fungiert. Sie folgt dem Weg des Wassers durch von Menschenhand geschaffene Konstruktionen wie Springbrunnen und Rohre, wobei sie dessen klanglichen Fußabdruck auf unterschiedlichste Weise wiedergibt.

Die Ausstellung bei SAVVY Contemporary wird von performativen und klanglichen Aktivitäten begleitet, sowohl in den Räumlichkeiten von SAVVY als auch auf der Radioplattform SAVVYZΛΛR von SAVVY Contemporary. Zur Eröffnung ist eine Performance von Hiko Hiko, dem Alter Ego von Masaoka, zu erleben. Außerdem wird in den folgenden Wochen die dreidimensionale Partitur „Cubistics“ von Streichern aufgeführt. Masaokas Komposition „For Birds, Planes, and Cello" wird am 24. März auf SAVVYZΛΛR zu hören sein.

Miya Masaoka ist eine amerikanische Komponistin, Klangkünstlerin und Musikerin. Sie schafft Werke für Orchester, akustische Phänomene, Video, Elektronik und Installationen. Ganz gleich, ob sie Aufnahmen im Inneren von Gegenständen, von Pflanzen oder dem menschlichen Körper, in architektonischen Resonanzräumen oder in Schluchten unter freiem Himmel macht, Masaoka schafft Inkongruenzen, die das Paradoxon der zeitgenössischen Bedingungen aufgreifen.

Sie wurde ausgezeichnet mit dem Rome Prize, einem Guggenheim- und einem Fulbright-Stipendium sowie durch Auftragsarbeiten von der Fromm Foundation, Library of Congress, EMPAC und Studio Residency at Park Avenue Armory. Ihre Arbeiten wurden auf der Biennale in Venedig, im MoMA PS1, im Governors Island in NY, im Yerba Buena Center for the Arts, am ICA in Philadelphia, im Museum of Contemporary Art Chicago sowie im Kunstmuseum Bonn und Darmstadt gezeigt. Ihre Kompositionen wurden vom BBC Scottish Symphony Orchestra, Jack Quartet, MIVOS, Dal Niente, dem S.E.M. Ensemble, Volti, Bang On a Can All-Stars, Either/Or Ensemble, Del Sol Quartet, Volti, Ensemble Mosaik, und Joan Jeanrenaud, früher bei Kronos.

Als Improvisatorin arbeitete Masaoka mit Künstler:innen wie Pauline Oliveros, Cecil Taylor, Pharoah Sanders, Henry Brandt, Christian Wolfe, Andrew Cyrille, Reggie Workman, Gerry Hemingway, Zeena Parkins, Myra Melford. Sie wirkte an der Duo-CD mit Anthony Braxton auf RogueArt Records mit. Ihre Lehrer:innen waren, neben anderen, Alvin Curran, David Tudor, Maryanne Amacher und Togi Suenobu.

Ihre Texte, wie “The Vagina is the Third Ear”” oder “Vaginated Chairs”, erschienen in The Theater Review (NYU) und Peripheries (Harvard Divinity School's Center for the Study of World Religions).

Sie ist außerordentliche Professorin und Leiterin des MFA Sound Art Program an der Columbia University.