In den Echos der Archive: Über das Erzählen von Wissenschafts-
geschichte(n)

„Indem er Dinge, die ich schon immer kannte, seinem Zahlensystem unterordnete, waren sie nicht mehr meine, sie gehörten jetzt ihm.“

Der Waisenjunge Bartholomäus, Protagonist in Christopher Kloebles neuem Roman Das Museum der Welt, ist fasziniert von den Forschungsreisenden Brüdern Schlagintweit, die sich auf Empfehlung von Alexander von Humboldt und im Auftrag der East Indian Company nach Bombay, der Heimatstadt des Jungen, begeben haben. Aneignung und Weitergabe von Wissen ist allerdings – das erkennt auch Bartholomäus – meist keine interesselose Angelegenheit.

Die theoretischen Grundlagen sowie Ergebnisse kolonialer, rassistischer ‚Forschungsreisen' haben bis heute tiefe Spuren im wissenschaftlichen Kanon hinterlassen. Christoper Kloeble und Urmilla Deshpande sprechen gemeinsam über ihre Konfusionen und Wege beim Schreiben aus gewaltvollem Archiv- und Forschungsmaterial heraus. Urmilla Deshpande arbeitet zur Zeit an einem Roman über die Forschung ihrer Großmutter Irawati Karve, die im Berlin der Weimarer Republik zu Rassentheorie promovierte und nach ihrer Rückkehr in Bombay weiter als Anthropologin und Soziologin arbeitete.

Wie von ihrer Geschichte erzählen, die so komplex mit der der Welt verwoben ist? Welche Räume der Sprache, Imagination und Perspektive lassen sich im Schreiben aus gewaltvollen Archiven eröffnen? Wie die Stillen im Schreiben hörbar machen? An welche Grenzen stößt das kritische Hinterfragen der Aneignung und Überlieferung von Wissen?

Christopher Kloeble absolvierte ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und arbeitet heute als Autor. Beiträge von ihm erschienen u.a. in der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung und der taz, außerdem entwickelt er Stoffe für Film- und Fernsehproduktionen.

Urmilla Deshpandeist eine indische Schriftstellerin und wissenschaftliche Redakteurin. Zu ihren Veröffentlichungen zählen die Romane A Pack of Lies (2009), Kashmir Blues (2010) und Equal to Angels (2017) sowie die Erzählbände Slither: Carnal Prose (2012) und Body and Blood (2019). Sie lebt und schreibt in Tallahassee, USA.