Künstler in Residenz 2018

Nkosilathi Emmanuel Moyo ist ein Aktivist für Menschenrechte und Demokratie, Schriftsteller, Dichter und Protestmusiker aus Kwekwe, einer kleinen Stadt im Herzen Simbabwes, die bekannt ist für den dort angesiedelten Bergbau. Er ist außerdem Mitbegründer und Leiter von Z.O.Y.P., der Zimbabwean Organization for Youth in Politics. In seinen Büchern und Gedichten, wie auch seiner Protestmusik, kritisiert er die repressive Regierung und Diktatur in Simbabwe. Dies führte dazu, dass Moyo durch die Regierung verfolgt und überwacht wurde. Aufgrund dieser Situation organisierte Artist At Risk die Möglichkeit einer Künstlerresidenz in Berlin bei SAVVY Contemporary. Dort stellt er derzeit sein neues Buch fertig und nimmt sich eine Auszeit, um sich von den Anstrengungen seiner Arbeit zu erholen, bevor er zur Fortsetzung seines Aktivismus in seine Heimatstadt Kwekwe zurückkehren wird.

ARTISTS at RISK (AR) iist eine neue Institution an der Schnittstelle von Menschenrechten und den Künsten. AR hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lage verfolgter Künstler*innen zu erfassen, ihnen die Ausreise während unsicheren Situationen aus ihren Ursprungsländer zu gewährleisten, und sie im Rahmen der “AR-Safe Haven Residencies” unterzubringen. Darüber hinaus kuratiert AR hierzu verwandte Projekte, darunter den “AR Pavilion”.

Perpetuum Mobile (PM) hat Artists at Risk (AR) ins Leben gerufen als eine Plattform und ein Netzwerk, das derzeit sieben laufende Residenzprogramme umfasst. Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Kurator*innen, Kritiker*innen und Wissenschaftler*innen werden häufig zu Zielen politisch motivierter Drohungen und Verfolgung in vielen Teilen dieser Welt. AR entwickelt Kooperationsprogramme mit Einrichtungen für Künstlerresidenzen, Kunst-/ Film-/ Theatervereinigungen, Städten und Menschenrechtsnetzwerken. Perpetuum Mobile (PM) kuratiert darüber hinaus Veranstaltungen, Konferenzen sowie den “AR Pavilion” — kürzlich bei der Biennale in Athen; im Parallelprogram der Bienniale in Instabul; und bei Matadero-Madrid — in welchem die künstlerischen Praktiken der Residenzkünstler*innen von Artists-at-Risk (AR) gezeigt werden.

Nkosilathi Emmanuel Moyos Residenz im Rahmen von Artists-at-Risk (AR) Safe Haven Berlin wird kuratiert von Perpetuum Mobile (PM) und ausgerichtet in Kooperation mit SAVVY Contemporary. Die Residenz wird kofinanziert von Perpetuum Mobile mit einer Stipendium gemeinsam mit European Alternatives des Creative Europe Programme der Europäischen Union.

Interview

SAVVY-Mitglied  Jörg-Peter Schulze  sprach mit  Nkosie über dessen Ideen und Praxis während eines Spaziergangs im Volkspark Humboldthain in Berlin an einem kalten, nicht unfreundlichen Februartag.

Portraits von Nkosie: Raisa Galofre
Portraits von Nkosie: Raisa Galofre

Nkosilathi, ein herzliches Willkommen bei SAVVY Contemporary. Ich möchte mit einer möglicherweise ungewöhnlichen Frage in die Unterhaltung einsteigen. Ich habe häufig gesehen, dass du eine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme über WhatsApp zusammen mit Songs oder Artikeln ins Internet stellst. Wie kommt das?

Die Nummer gemeinsam mit meinen Artikeln oder Songs zu veröffentlichen hat mir geholfen, direktes Feedback von Tausendenden an meiner Arbeit interessierten Simbabwern zu erhalten. Diese Rückmeldungen wiederum waren wichtig für meine Arbeit, da ich auf Bereiche dieser hingewiesen wurde, in denen ich mich verbessern konnte. Von daher hat mir das Angeben meiner Nummer viel gebracht in puncto freier Beratung und konstruktiver Kritik durch Mitmenschen, die meiner Tätigkeit folgen.

Wie würdest du die Rolle von WhatsApp als eine Art geschützter Raum beurteilen – falls man das überhaupt so sagen kann? Zensur ist dort ja kaum möglich, allerdings kann auch jeder beitreten und zum Beispiel andere denunzieren. Wir reden hier übrigens von Gruppengrößen, bei denen man eigentlich von einem halböffentlichen Raum bzw. einer Suböffentlichkeit sprechen müsste. In Deutschland beginnt diese Entwicklung gerade, in Simbabwe ist das aber schon lange nichts Neues mehr. Wir reden hier von Gruppengrößen, die teilweise 10.000 Nutzer übersteigen, oder übertreibe ich jetzt? Kann ein repressives System auf diesem Wege untergraben werden?

WhatsApp wird gerade zum wichtigsten Instrument bzw. zur wichtigsten Kommunikationsmethode in meinem Heimatland. Alles, was die Leute interessiert verbreitet sich rasend schnell sobald es auf WhatsApp geteilt wurde und innerhalb weniger Minuten kann es viral gehen. Die meisten meiner Gedichte oder Songs sind virale Hits auf WhatsApp und in anderen sozialen Medien. Es hat mir sehr geholfen, meine Botschaften an das Volk Simbabwes zu vermitteln. Zum Thema Sicherheit – keine Methode bietet hundertprozentigen Schutz, aber WhatsApp ist verschlüsselt und damit sicherer als Telefonanrufe, die abgehört werden können. Das repressive System in Simbabwe zensiert in den Medien fast alles, aber bei WhatsApp geht ihre Taktik nicht auf, weswegen jetzt auch ein Gesetz zur Cybersicherheit erlassen wurde. In dem mit Verhaftung wegen Subversion gedroht werden kann, wird dieses nun benutzt, um Leute einzuschüchtern.

WhatsApp ist auch für dich persönlich wichtig, da dort deine Kunst zirkulieren kann. Kannst du darauf bitte etwas näher eingehen? Wie setzt man Kunst gezielt ein, um politisch etwas zu bewirken. Und was genau ist es, das du erreichen möchtest?

Ich benutze Kunst, genauer gesagt, Poesie, Protestsongs und Sachbücher um den politischen Status Quo in Simbabwe herauszufordern. Wir haben eine Regierung, die die Menschen seit nun beinahe vier Jahrzehnten unterdrückt, politische Korruption und Kleptokratie auf einem Hoch. Mein Aktivismus, mit der Kunst als Instrument, ist mein kleiner Beitrag für Simbabwe. Ich werbe damit für mehr Demokratie, die Wahrung von Menschenrechten und mehr Rechtstaatlichkeit. Was ich erreichen möchte? Ich möchte, dass die Gewaltherrscher in Harare wissen, dass sie das Volk nicht dauerhaft unterdrücken können und damit davonkommt. Meine Protestkunst nimmt dabei die Position einer Art Kontrollinstanz ein und fordert Gerechtigkeit ein. Ich habe mit Pisarema raNkosilathi ein Protestalbum aufgenommen und die Bücher Zimbabwe A Revolution Waiting To Happen und Robert Mugabe From Freedom Fighter To The People’s Enemy geschrieben.

Können wir etwas genauer auf die Rolle der Kunst in deinem Aktivismus eingehen? Welcher Zusammenhang besteht dort für dich?

Kunst ist ein wichtiges Instrument dafür, meine Botschaft an die Menschen in Simbabwe zu übermitteln und zwar ein sehr effektives, wenn es darum geht, eine Bewegung aufzubauen und Bewusstsein zu schärfern. Protestmusik und Poesie fungieren dabei als Edutainment - Unterhaltung bei gleichzeitiger Wissensvermittlung. Leute kommen für einen guten Zweck zusammen und es hat sich gezeigt, wie wirkungsvoll dieser Weg ist, um politische Aufmerksamkeit generieren. Die Leute führen die Interaktionen fort und diskutieren die Themen, die ich mit meiner Kunst angesprochen habe.

Du bist ein großer Fan von Reggae. Ein sehr populäres Genre in Simbabwe und offensichtlicher Einfluss in deiner Musik.  Dieses Genre ist bekannt für politische Inhalte, besonders bei der Art von Conscious Reggae, die du machst. Hast du dir eigentlich das Genre ausgesucht oder das Genre dich?

Jetzt hast du mich wirklich zum Lachen bracht! Ein bisschen von beidem. Reggae gehört zu mir und ich zu Reggae. Ich bin damit aufgewachsen und habe die Musik von Anfang an geliebt. Es ist das Genre großer Pioniere der Protestmusik wie Peter Tosh und Bob Marley, die Musik genutzt haben um sich gegen die soziale Ungerechtigkeit ihrer Zeit auszusprechen. Mit dieser Musik wuchs ich auf, vielleicht hat das den revolutionären Geist in mir berührt. Jetzt ist Reggae mein Medium für Protest und die meisten meiner Songs sind in den sozialen Medien viral gegangen.

Wie fügen sich eine Künstlerresidenz wie hier in Berlin bei SAVVY Contemporary oder Aufenthalte in Europa in deine Arbeit ein?

Ich bin hier mit dem Programm Artists At Risk, die mit SAVVY Contemporary zusammenarbeiten. Es ist eine Ehre für mich, diesen Platz erhalten zu haben. Es ermöglicht mir, durchzuatmen. Wie du weißt, trifft meine Kunst einen politischen Nerv. Das macht mich zur Zielscheibe von Politikern, die sich durch meine Arbeit bedroht fühlen. Teilweise geht es sogar so weit, dass mein Leben in Gefahr ist. Ich bin also hier um diesen ganzen Strapazen und Morddrohungen für einen Moment aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig meine Strategien zu überdenken und neue Interventionen zu planen. Sowie ich im April in meine Heimat zurückkehre, kann ich diese dann anwenden. Ich weiß die Arbeit von Artists At Risk und SAVVY Contemporary, die verschiedene Künstler aus verschiedenen Ländern unterstützen, wirklich zu schätzen. Diese Arbeit muss fortgesetzt werden können.

Am Ende deines Aufenthalts wirst du dein neues Buch der Öffentlichkeit vorstellen. Kannst du da schon etwas verraten? Dein letztes Buch war über Mugabe. Zwar ist der jetzt weg, aber seine Strukturen sind quasi unberührt. Schätze, es gibt immer noch einiges zu tun. Was kommt als nächstes?

Das neue Buch wird den Namen Dismantling the System of Mugabeism tragen. In diesem Buch argumentiere ich, dass – ja, Mugabe, die Person ist nicht mehr da, aber das System seiner Diktatur ist weiterhin intakt. Damit Simbabwe richtig demokratisiert werden kann, ist es von größter Notwendigkeit, dieses System zu zerschlagen und neue politische Strukturen zu etablieren. Dieses „neue“ politische Machtgefüge in Simbabwe ist einfach eine Weiterführung derselben Geschichte der ZANU-PF Tyrannei, nur, dass Mugabe nicht mehr auf der Bildfläche ist. Die Leute aber, die Regierung bilden, sind die gleichen, die schon mit Mugabe zusammen Simbabwe zerstört haben. Eigentlich hat sich also gar nichts verändert und wir fahren weiter in die gleiche Richtung. Es sitzt jetzt einfach ein anderer am Steuer, sonst nichts. Um wirklich etwas zu verändern, muss sich das Volk Simbabwes diesen Verhältnissen gemeinsam entgegenstellen und das System Mugabes abschaffen – seine Führungskultur und Institutionen, die mit Demokratie nicht kompatibel sind.

Was treibt dich an? Ich habe das Gefühl, es ist eng verbunden mit den Menschen in deiner Heimat Kwekwe?

Alles, was ich möchte, ist ein demokratischer Staat, der die Rechte der Leute respektiert und uns die in der Verfassung festgehaltenen Rechte und Freiheiten tatsächlich gewährt.

Jetzt haben wir uns gar nicht über deine Poesie unterhalten – vielleicht kannst du sie ja einfach für sich selbst sprechen lassen. Würdest du eines deiner Gedichte mit uns teilen?

Freedom.

They say a lot about you like a mermaid
But who has ever seen you
You are written all over the books like verses of the bible
But how many obey your rules
Millions are spent every year celebrating something which looks like you
But your presence has never been felt
Where are you Freedom, do you exist?

When I was born my mum told me I am free
Stories of colonisation and slavery were our daily bread
Politicians at Munhumutapa building claim they liberated us
But oppression flows all over the country like Zambezi river
Flooding all our democratic rights
My life is endangered like a rhinoceros
Because of my love for you Freedom
Where are you Freedom, do you exist?
I am yearning for you.

Was ich Dich einfach noch fragen MUSS: fügst du eigentlich immer noch deine WhatsApp Nummer bei Veröffentlichungen an?

Ja! Es ist der einzige Weg, mit meinem Publikum in Kontakt zu sein. Meine Nummer ist die +32485850059.